Tiere retten – Erich Frieds „Zu guter Letzt“ (1983)

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Als wir am Wochenende bei der Hausrenovierung ein halb totes Wespennest auf dem Dachboden gefunden haben, aus der noch immer lebende Wespen fielen, und mir dann bei der Vorbereitung einer Deutschstunde heute dieses Gedicht von Erich Fried in die Hände fiel, war klar, dass beides auch auf eine Art hier im Blog unterkommen müsse. Einerseits weil ich ganz froh war, dass das „Tiere-retten“-Spiel (aus dem Schwimmbadpool, dem Gartenteich, einem Gebäudeaufzug…) vielleicht doch verbreiteter ist, als man denkt – und man selbst damit vielleicht nicht ganz so verquer. Andererseits, weil Fried ganz einfach eine verdammt gute Schreibe hatte, und man doch wohl jede Gelegenheit nutzen sollte, dies zu verbreiten…

Erich Fried (1983): Zu guter Letzt

Als Kind wußte ich:
Jeder Schmetterling
den ich rette
Jede Schnecke
und jede Spinne
und jede Mücke
jeder Ohrwurm
und jeder Regenwurm
wird kommen und weinen
wenn ich begraben werde

Einmal von mir gerettet
muß keines mehr sterben
Alle werden sie kommen
zu meinem Begräbnis

Als ich dann groß wurde
erkannte ich:
Das ist Unsinn
Keines wird kommen
ich überlebe sie alle

Jetzt im Alter
frage ich: Wenn ich sie aber
rette bis ganz zuletzt
kommen doch vielleicht zwei oder drei?

Quelle: Erich Fried „Es ist was es ist. Liebesgedichte, Angstgedichte, Zorngedichte“, Berlin 1996.

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Ein Kommentar zu “Tiere retten – Erich Frieds „Zu guter Letzt“ (1983)

  1. Wunderbar, immerzu rette ich die Regenwürmer, auf dass sie einmal freundlich zu mir sein werden…
    Sagen Sie, ich bin auf der Suche nach Erich Frieds Gedicht: Eine Fliege war am Ertrinken, zwei Haifische sahen sie sinken, da sagte der eine Hai: Hai, schwimmen wir da mal vorbei – und weiter weiß ich es nimmer. Können Sie mir hier vielleicht helfen?
    Ich würde mich freuen, vielen Dank.

    Herzliche Grüße
    Karin Probst
    probst@2-change.de

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